Miteinander und mittendrin: "andersWohnen" hat sich bewährt
Seit 15 Jahren funktioniert das Zusammenleben unserer Kita- und Krippenkinder mit den Senioren und Alleineerziehenden ausgezeichnet, viele gemeinsame Projekte und Aktionen sind seither entstanden und durchgeführt wodren.
„Wir wollten einfach nicht einsam, sondern lieber mit Gleichgesinnten alt werden.“
Wenn Fred Jantschke, Gründungsmitglied und bis heute Bewohner des Wohnprojekts „AndersWohnen“ zurückblickt, berichtet er zwar von vielen Hindernissen und Anlaufschwierigkeiten, aber auch, dass sich sein ursprünglicher Wunsch voll und ganz erfüllt hat. Die vielen entstandenen Freundschaften, die Erinnerungen an interkulturelle Kochexperimente, an Nachhilfe für heutige Akademiker*innen, an Grillabende auf der Dachterrasse, an den Lesezirkel oder verschiedene Hobbygruppen bestätigen die damalige Entscheidung und den Sprung ins kalte Wasser.
Das bundesweit einzigartige Projekt südlich des Nürnberger Hauptbahnhofs bringt Senioren und Alleinerziehende mit ihren Kindern sowie das humanistische Haus für Kinder Steinbühl in einer Hausgemeinschaft zusammen. Erstere Gruppen teilen ähnliche Risiken wie finanzielle Belastungen und soziale Einsamkeit, verfügen jedoch über unterschiedliche Ressourcen: Senioren haben oft Zeit, während Alleinerziehende unter Zeitdruck stehen. Durch gegenseitige Unterstützung können viele Aufgaben intern bewältigt werden. Wenn dies nicht möglich ist, werden externe Dienstleistungen, etwa durch die AWO, hinzugezogen. Regelmäßige Aktionen und Kooperationen mit den Kita- und Krippenkindern sorgen zudem für Abwechslung, ermöglichen Beteiligung und bringen eine Menge Leben in das große Haus. Die Senioren nehmen in vielerlei Hinsicht teil am Leben der jüngsten Generation, besonders im Sommer im Garten eine große Bereicherung. Aber auch Vorlesestunden, Kunstaktionen, Holz- und Bastelarbeiten oder gemeinsames Musizieren wirken sich positiv auf das Miteinander der Generationen aus. Ein Café mit Bäckerei stärkt die Verbindung zwischen den Hausbewohnern und dem Stadtteil. Die Organisation des Hauses erfolgt durch Selbsthilfe, Selbstbestimmung und Selbstverwaltung, mit Mitgestaltungsmöglichkeiten über einen Bewohnerrat und Arbeitskreise.
Bei einer gemeinsamen Feierstunde im benachbarten Karl-Bröger-Haus haben jetzt Bewohner*innen, Nachbarn, Freund*innen und Verantwortliche das 15-jährige Bestehen dieses außergewöhnlichen Wohnexperiments gefeiert. Die geschäftsführende Vorständin Mandy Fuhrmann begrüßte die Gäste, ein Senioren- und ein Kita-Chor hatten extra Lieder vorbereitet und gemeinsam ließ man die schwierigen Anfänge und die Entstehung des markanten Rundbaus noch einmal Revue passieren: Fred Jantschke erzählte vom absoluten Neuland, auf das sich die Gründungsmitglieder begaben, vor allem finanziell, aber auch architektonisch und sozial hatten sich damals viele Fragen und Probleme ergeben. An so genannten Wohntischen planten und diskutierten die Initiatoren, wie aus der kühnen Idee Realität werden könnte. Besonders die Förderung durch das Bundesfamilienministerium, die Bauherrngemeinschaft mit der Humanistischen Vereinigung (damals noch HVD-Bayern) und der günstige Grundstückpreisdurch von der Stadt machten das Projekt überhaupt erst möglich.
Britta Walther vom Amt für Wohnen der Stadt Nürnberg bestätigt den Modellcharakter dieses innovativen Wohnprojekts. Es habe damals kaum Beispiele gegeben, die als Vorbilder hätten dienen können und es sei mitunter nicht leicht gewesen, Zuschüsse und Förderungen oder manch Ausnahmeregelung genehmigt zu bekommen.
Dass hier viel wichtige Grundlagenarbeit für andere Projekte gemacht worden sei, erklärt auch Mareen Bär vom Seniorenamt der Stadt. AndersWohnen sei ein Paradebeispiel, wie auch in dicht bebauten Vierteln Verbindungen und Freiräume entstehen können und wie gemeinschaftliches Engagement sich positiv auf das Zusammenleben auswirke. Es sei ein Gewinn für den Stadtteil und für Nürnberg, ein Ort der Freude und der gegenseitigen Unterstützung.
Auch Andreas Prischet, Verbandsdirektor vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen, beglückwünscht die Wohngemeinschaft zu diesem runden Jubiläum und lobt ihren positiven sozialen Einfluss auf Stadt und Wohnungsmarkt. Es werde immer wieder als „Leuchtturmprojekt“ beschrieben, an dem sich zahlreiche Nachahmer*innen orientieren würden.
Es sei nur ein verwildertes Grundstück gewesen, das als Parkplatz genutzt wurde, erinnert sich der Vorstand der Humanistischen Vereinigung Michael Bauer, der sich aber dennoch zur Beteiligung an der Genossenschaftsgründung entschied. Ein so großes Projekt aus dem Nichts zu zaubern, sei eine mühsame, aber unterm Strich sehr lohnende Idee gewesen. So etwas könne auch nur gelingen und dauerhaft funktionieren, wenn Menschen davon überzeugt sind und bereit, sich Know-How und Unterstützung, etwa von Stadt und Banken, zu holen. Dass dies im Endeffekt alles so gelungen ist, sei historisch, ein Wunder, und mache ihn auch stolz, dabei sein zu können.
Anschließend hatten alle die Möglichkeit, sich das Haus und das Wohnprojekt genauer zeigen zu lassen und in den Gemeinschaftsräumen und auf der Dachterrasse noch ein wenig zu feiern. Das Prinzip des Projekts AndersWohnen lautet bis heute: So viel Gemeinschaft wie gewünscht, so viel Privatheit wie möglich. In den Dachgeschossen befinden sich Gemeinschaftsräume wie Küche, Sonnenterrassen und ein Multifunktionsraum, der auch von Bewohnern des Viertels genutzt werden kann. Durch unterschiedliche Größen und Grundrisse der – allesamt barrierefreien – 44 Wohneinheiten ist es möglich, dass Bewohner auch dann im Haus verbleiben können, wenn sich ihre Lebenssituationen ändert. Dies fördert u.a. auch die soziale Nachhaltigkeit des Projekts. Natürlich ist das Miteinander nicht immer einfach, die Senioren werden älter und die Kinder größer, da können sich Bedürfnisse und Verhaltensweisen auch ändern. Gerade deshalb ist es wichtig, bei Wechseln von Bewohner*innen gut auf die soziale Zusammensetzung zu achten.
Am Nachmittag wurde es dann auf dem Platz vor dem Haus turbulent, denn die Erzieher*innen und Kitakinder hatten mit verschiedenen Spielmöglichkeiten, Musik, Infostand und Seifenblasenmaschine ein kleines Straßenfest organisiert. Dabei kamen sie mit Eltern, Passanten und Nachbar*innen ins Gespräch und zeigten, wie das Zusammenleben funktioniert und in den pädagogischen Alltag mit einfließen kann.